Einsichten und Perspektiven

Ich denke, aus den sechs Artikeln die ich zu Charles-Valentin Alkan geschrieben habe, lässt sich mit einiger Sicherheit schliessen, dass er tatsächlich zu den grossen Meistern des 19.Jahrhunderts gehört. In seinen besten Werken ist er gleichwertig mir Chopin, Schumann oder Liszt.

Wird sich Alkans Musik in Zukunft behaupten können?

Es ist schwierig eine Prognose abzugeben. Der Pianisten-Clan ist in der letzten Zeit eher wieder konservativ geworden. Eine Aufführung eines Klavierstücks von Stockhausen (was genausowenig „modern“ ist wie John Cage!) gilt im allgemeinen immer noch als Affront gegenüber dem Publikum. Gleichzeitig ist eine gewisse Baisse im Komponieren für Klavier feststellbar. Seit dem ersten Heft der Etüden von Ligeti (1985, vor fast 30 Jahren!) hat kein Klavierstück mehr den internationalen Durchbruch geschafft. Auch die nachfolgenden Etüden von Unsuk Chin oder Pascal Dusapin sind zwar bekannt geworden, der durchschnittliche Pianist (oder Klavierlehrer an der Musikschule) kennt das nicht. Auch hier keine Prognose…

Gleichzeitig ist das allgemeine Verständnis für klassische Musik arg geschrumpft. Früher – und ich meine damit mindestens von 1700-1980) waren musikalische Kenntnise ein integraler Bestandteil der sogenannten Bildung. Heute gibt es viele Leute mit Hochschulabschluss, welche den Namen Beethoven nicht mehr einordnen können.

Damit steigen die Chancen auf ein Revival eines unbekannten Komponisten sicher nicht.

Für uns Pianisten bleibt bei Alkans Klaviermusik leider immer ein „Betreten für Unbefugte verboten“- Schild. Es ist für den normalen Konzertgebrauch technisch einfach zu umständlich. Marc-André Hamelins imponierendes Vorbild bezüglich Alkan (und anderen) ist beeindruckend, leider sind nicht alle von uns derart begabt.

Die Verlockung ist halt gross, mit  dem selben Zeitaufwand kann man anstelle von Alkans Grande Sonate einen ganzen Beethoven Abend neu lernen und mit Sicherheit spielen. Wozu also die Risiken, im Endeffekt sind es doch nur Mehraufwände ohne Garantie auf Erfolg?

Charles-Valentins Alkans Musik hat es aber geschafft, aus der Nische der verdächtigen Spezialitäten herauszutreten. Seine Musik wird sich nie ganz wie die von Chopin durchsetzen. Es wird immer von der richtigen Gelegenheit und einem genügend idealistischen Klavierspieler abhängen.

Möglicherweise ist das auch gut so, heutzutage gilt ja als mega-out nur bei Chopin z.B. die Pedalbezeichnungen zu befolgen oder einen Blick in eine gute Ausgabe zu werfen (um zu sehen dass das Wiederholungszeichen in der 2.Sonate meistens falsch plaziert ist). Es graut mir vor der Vorstellung, dass der Jamie Oliver des Klaviers – Lang Lang – auch noch Alkan spielen würde. Es graut mir auch sonst, aber das wäre ein anderes Thema…

Ich habe in den letzten Jahren, das Klaviertrio Op.30, Die Violinsonate Op.21, eine Auswahl von Préludes Op.31, Le Tambour bat aux camps, Festin d’Esope und einige kleinere Stücke im Konzert gespielt, dazu zwei grössere Vorträge über ihn gehalten. Mein Wunsch ist, eine Doppel- CD mit seiner Musik zu realisieren, bis Ende 2014 sollte es soweit sein.

Es ist immer wieder eine grosse Freude, Pianisten zu entdecken, welche den Mut haben, sich solchen Werken anzunehmen.

Hier die grossartige Aufnahme von Alkans so gut wie ungespieltem „Scherzo Focoso“.
Ein Hoch auf Yui Morishita!