Alkans Makrokosmos, 64 Esquisses (motifs) Op.63 Selten hat man die Gelegenheit, einen direkten Blick in die Werkstatt eines Komponisten zu werfen. Natürlich, die Musikwissenschaft hat vergleichende Ausgaben von Schuberts Sonaten, Mahlers Sinfonien und Beethovens notorischen Skizzenbüchern vorgelegt. Allerdings ist dies eine etwas trockene Arbeit und für die Spezialisten bestimmt. Eigentlich kann man Alkans Esquisses nur mit Chopins Préludes oder Bartoks Mikrokosmos vergleichen. Eine Welt in Miniaturform, welche aber in fertiger Form für den Zuhörer aufbereitet ist. Ich möchte auf zu viele Worte verzichten und gebe hier 10 dieser Werke mit einem kurzen Text. Nr.1 „La Vision“ Ein enigmatisches Nocturne, dessen hypnotische Wirkung auf einem gleichbleibenden Klaviersatz beruht. Nr.2 „Le staccatissimo“ Scarlatti oder Vivaldi werden auf verrückte Weise imitiert. Eine lockere Handgelenkstudie mit vielen Überraschungen. Nr.10 „Increpatio“ Ein Zornesausbruch. Jesus jagt die Händler aus dem Tempel Johannes 2,13-16 Nr.16 „Fantaisie“ Die möglicherweise kleinste Etüde Alkans. Eine „Fantasiettina“ über ein klaviertechnisches Problem. Die Brillanz wird in einen Choral gesteuert, der letzte der herunterperlenden Läufe gibt einen humoristischen Abschluss. Kurz, bündig… und schwer! Nr.21 „Morituri te salutant“ Heil dir Cäsar, die Todgeweihten grüssen dich. Die unheimliche Frage ob der Daumen nach oben oder unten geht. Nr.29 „Délire“ Ein kurzer Freudenausbruch, welcher versöhlich endet. Nr.35 „Musique Militaire“ Ein typisches Zapfenstreich-Motiv wird durchgeführt, verfremdet und mit abrupten Registerwechseln gewürzt. Unvergleichlich komisch! Nr.41 „Les Enharmoniques“ Eine Studie über enharmonische Wechselnoten. Alkan war berühmt für Verfremdungen… und seine Pedanterie in der Notation. Gelegentlich benutzt er sogar Tripelkreuze. Z.B. ein hisisis als Leitton zu Cisis-Dur… Nr.45 „les Diablotins“ Die Teufelchen kommen als geballte Cluster daher. Eigentlich immer noch harmonisch einzuordnen, aber der Effekt ist fast wie in moderner Musik. Als Nachtrag: Berühmt für solche Klänge war der amerikanische Komponist Henry Cowell (1897-1965). Er wurde 9 Jahre nach Alkans Tod geboren! Nr.46 „Le premier billet doux“ „Amorosamente“. Ein kleines Klavierstück mit vielen Finessen. Nur ein Komponist mit viel Erfahrung in grossen Formen kann so konzentriert eine Stimmung ausdrücken. Teilen mit:Facebook Beitrags-Navigation Einführung in den Stil -3-Die Tempoangaben, Exzesse an der Wahrnehmungsgrenze