György Cziffra 1921-1994 – Teil 2 –

Das Repertoire, Barock bis Klassik:

Zuerst eine Feststellung: Cziffra begann seine Karriere 1956 im Alter von 35 Jahren. Vorher hatte er Lücken im Krieg als Frontsoldat, später im Gulag von 1942-1946 und nochmals Zwangsarbeit im Steinbruch von 1950-1953. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Bar- und Jazzpianist. Dies erklärt das im Ganzen relativ begrenzte Repertoire. Rubinstein und Horowitz hatten bereits mit 25 mehr Stücke „im Kasten“ als Cziffra in seinem ganzen Leben je spielen sollte. Erfahrungsgemäss ist diese Arbeit in der Jugend ein Grundstock fürs Leben, Musik welche man nach dem 30. Lebensjahr neu lernt, festigt sich weniger schnell im Gedächtnis. Cziffra fehlte diese Basis fast vollständig. Er schuftete notgedrungen wie ein Besessener am Klavier, fühlte wohl aber ein Bedürfnis nach Sicherheit.
In seinen ersten Konzerten hatte er nicht einmal genug Stücke für Zugaben zur Verfügung, wenn nötig improvisierte er einfach über bekannte Themen.

Zur älteren Musik:

Die erste Überraschung ist das fast gänzliche Fehlen der Musik von Joh. Seb. Bach, nur einige Bach-Busoni Übertragungen tauchen immer wieder auf. Aber wie er die spielte…!
Hier das grossartige Präludium und Fuge in D-Dur.

Alessandro Scarlattis Sonaten spielte er auch nur selten, aber wiederum hervorragend.

Cziffras grosse Vorliebe war alte französische Musik: Daquin, Lully, Couperin und Rameau bekamen unter seinen Händen einen bemerkenswerten Glanz.

…und nicht fehlen darf ein hervorragendes Tic-Tac Choc von Couperin in einer Live-Version von 1960.

Ob dies auf dem Klavier gespielt werden sollte oder nicht interessiert mich an dieser Stelle nicht. Zu jener Zeit spielte einzig Marcelle Mercenier (die unverdient vergessene Spezialistin für moderne Musik von Stockhausen und Boulez!) diese Musik auf dem Klavier.

Und als sehr seltener Gast Carl Philipp Emanuel mit der Sonate in h-moll, herrlich subtil dargeboten.

Klassik:

Mozart war für Cziffra immer ein wenig problematisch. Er spielte nebst einigen Klavierkonzerten nur das „Rondo alla turca“ und die Sonate in a-moll regelmässig. In diesem Fall handelt es sich um eine gezügelte, etwas strenge Interpretation, welche allerdings durchaus hörenswert ist. Insbesondere der letzte Satz entwickelt eine Sogwirkung, Cziffras legendäre Technik dient vollkommen der Musik.

Beethoven behandelte er mit der ähnlichen Vorsicht wie sein Kollege Horowitz. Es sind uns Interpretationen von drei Variationsreihen (WoO 78/71/80), der Polonaise Op.89, Rondo Op.129 sowie 6 Sonaten(Op.13/14,2/26/27,1/53/57) bekannt.
Cziffra schien sich auf das zu beschränken, was er sicher beherrschen konnte. Die späten Sonaten und Variationen waren nicht seine Musik, man könnte es sich mit ihm auch kaum vorstellen. Obschon die meisten Aufnahmen durchaus respektabel sind, finden sich hier doch einige „Hänger“. Die „Appassionata“ Op.57 beispielsweise…
Ich möchte ein Werk und eine Interpretation vorstellen, welche wohl auch den meisten Pianisten nicht geläufig ist: Die obskure, fast nie gespielte Polonaise Op.89 von Beethoven, phänomenal dargeboten.

Sein weiteres Repertoire von Klassik und Barock umfasst nur wenige Stücke mehr. Schubert mied er bis auf einige Impromptus konsequent. Sein Interesse lief in andere Richtungen, gelegentlich tauchen Überraschungen auf wie das Rondo Op.11 von Hummel (das wiederum auch Horowitz spielte).

Wir sehen hier einen Pianisten mit eigenwilligen Vorlieben. Zweifellos hatte er gelegentlich seine liebe Mühe mit Mozart und Beethoven, der grösste Teil der hier vorliegenden Aufnahmen ist aber durchaus hervorragend. György Cziffra erscheint damit in einem ganz anderen Licht.

JJS 09.03.2014